Für Höhenbergsteiger gibt es nur einen Weg: nach oben. Marc Grüns Aufstieg begann vor über fünfzehn Jahren, als er das erste Mal einen Gipfel bezwang, der sich nicht auf Anhieb erwandern ließ. Seitdem stellte sich der heute in Ulm ansässige Projektingenieur immer neuen Höhenmetern: erst die Viertausender der Alpen, dann dem Stok Kangri in Indien (6153), dem Aconcagua in Argentinien (6961), dem Pik Lenin (7134) an der Grenze zwischen Tadschikistan und Kirgisistan und zuletzt den Himlung Himal (7126) im höchsten Gebirge der Welt, dem Himalaya.
Eine gute Grundlage: Der gebürtige Waiblinger hatte im Leistungssport Radball bereits seit seiner Kindheit gelernt, was man mit Kraft und Ausdauer alles erreichen kann – samt zwanzigjähriger Sportlerkarriere und deutschem Meisterschaftstitel, bis Grün den Sattel gegen die Bergstiefel tauschte.
Doch am Berg erfuhr Grün, dass es der Körper allein nicht mit den großen Gipfeln dieser Welt aufnehmen kann. Auch der Geist will geschult werden, sich gegen die Strapazen, die nach dem Ende normaler Wanderpfade auf einen warten, zu behaupten. Oder trotz dem Höhenrausch, der Natur Respekt zu zollen und umzukehren, wenn der Berg das eigene Leben bedroht. Denn um weiter nach oben zu kommen, geht es manchmal erst einmal wieder herunter.
„Meine nächste Expedition ist ein Traum vieler Höhenbergsteiger. Mit 8163 Metern zählt der Manaslu zu den höchsten Bergen der Welt. Tatsächlich ist er der achthöchste Berg – der Mount Everest ist nicht mal 700 Meter höher. Neben diesem ambitionierten Gipfel ist die Expedition meine zweite in den Himalaya, eine besondere, zeitlich, körperlich und geistig herausfordernde Erfahrung, aber auch ein spirituelles Erlebnis, von dem Bergsteiger für ihr Leben zehren.
Um mich dem Aufstieg einer der Höchsten zu stellen, habe ich mich über die letzten fünfzehn Jahre Berg für Berg an die Achttausender herangetastet. Außerdem befinde ich mich in meiner anderthalbjährigen körperlichen Vorbereitung, um den technischen Schwierigkeiten des Berges gewachsen zu sein und die über 30 Kilo Material schultern zu können. Noch wichtiger ist neben der körperlichen die mentale Vorbereitung, um den aufkommenden Strapazen und geistigen Herausforderungen gewachsen zu sein. Da helfen zum Beispiel Meditation und Yoga.
Am 5. September 2023 starte ich in Kathmandu, der Hauptstadt Nepals. Von da führt mich ein zehntägiger Marsch an den Fuß des Manaslu. In Begleitung einheimischer Sherpas geht es in das Basislager auf 4800 Metern Höhe. In den folgenden ca. dreißig Tagen werde ich mit meinem Team eine Hochlagerkette bilden, zwischen der wir uns hin und her bewegen, um einerseits das notwendige Material nach oben zu schaffen, andererseits um uns zu akklimatisieren und uns an die Höhe zu gewöhnen. Wenn dann alles vorbereitet ist und wir uns gut fühlen, und sich ein einigermaßen stabiles Wetterfenster ankündigt, kann der Weg zum Gipfel gewagt werden. Meist bleibt nur ein Versuch. Am Ende entscheidet der Berg.“